Beamtenrecht: Fürsorgepflicht des Dienstherrn

Überblick

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses hat der Dienstherr eine Fürsorgepflicht zugunsten der Beamt:innen zu erfüllen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr während der aktiven Dienstzeit und darüber hinaus auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses um das Wohl von Beamt:innen und deren Familie kümmern.

Beamt:innen erfahren eine deutlich umfangreichere Fürsorge als Arbeitnehmer:innen außerhalb des Beamtenverhältnisses: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erstreckt sich in ihrem Umfang nicht auf die Familie der Angestellten und in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Zeitabschnitt nach Beendigung der Arbeitstätigkeit.

Als Gegenleistung für die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sind Beamt:innen (im Gegensatz zu Arbeitnehmer:innen außerhalb des Beamtenverhältnisses) an die Treuepflicht gebunden, die verschiedene Pflichten umfasst.

Falls Sie selbst rechtliche Fragen zur Fürsorgepflicht Ihres Dienstherrn haben, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. 

Was umfasst die Fürsorgepflicht des Dienstherrn?

Die Fürsorgepflicht gilt für viele Bereiche und ist nicht abschließend gesetzlich geregelt. Besonders wichtig ist die Fürsorge im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Eine Ausprägung dieser Pflicht ist das Beihilfensystem, durch das ein Teil der Kosten finanziert wird, die den Beamt:innen im Rahmen von gesundheitlichen Behandlungen entstehen.

Der Dienstherr muss darüber hinaus dafür sorgen, dass das psychische Wohlbefinden der Beamt:innen nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere bei Mobbing am Arbeitsplatz durch den Vorgesetzten oder durch Kolleg:innen muss sich der Dienstherr schützend vor seinen Beamt:innen stellen. Allerdings ist zu beachten, dass die Rechtsprechung an den Begriff des „Mobbings“ bestimmte Voraussetzungen stellt. Demnach muss ein „systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren“ vorliegen, wobei sich die Verletzungshandlung aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzen muss. Es muss sich aus den einzelnen Handlungen also ein systematisches Vorgehen sowie ein Fortsetzungszusammenhang ableiten lassen. Kurzfristige Konfliktsituationen mit Vorgesetzten oder Kolleg:innen fallen demzufolge nicht hierunter.

Der Schutz des Dienstherrn greift ebenfalls bei unberechtigten bloßstellenden Angriffen auf die Amtsführung der Beamt:innen von Außen. Denkbar ist hier ein angreifender Post auf einem sozialen Netzwerk, der Beamt:innen in ihrer amtlichen Tätigkeit und Stellung und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. In keinem Fall darf der Dienstherr selbst Personen in einem Beamtenverhältnis bloßstellen.

Außerdem ist der Dienstherr dazu verpflichtet, sowohl gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz so gering wie möglich zu halten als auch die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten.

Im Rahmen seiner sozialen Schutzpflichten muss der Dienstherr für eine angemessene Besoldung seiner aktiven Beamt:innen sorgen und gleichzeitig ihren Versorgungsansprüchen im Ruhestand entsprechen.

Auch die Gewährung des Anspruchs auf Urlaub unter Fortzahlung der Bezüge ist Teil der Fürsorgepflicht, da der Dienstherr die Beamt:in hierdurch vor Erschöpfung bewahren soll.

Gegenüber Beamt:innen mit einer Behinderung hat der Dienstherr die Pflicht zu erfüllen, ihre besondere Situation bei der Verwendungsentscheidung zu berücksichtigen.

Außerdem zählen Regelungen zum Mutterschutz, zu den Arbeitszeiten und zum Schutz vor Unfällen zu den Ausprägungen der Fürsorgepflicht.

Anhand dieser beispielhaft aufgeführten Punkte ist zu erkennen, dass die Fürsorgepflicht durchaus umfassend ist und verschiedene berufliche Situationen von Beamt:innen miteinschließt.

 

Die rechtliche Grundlage der Fürsorgepflicht

Die Fürsorgepflicht ist auf Ebene des Grundgesetzes in Art. 33 Absatz 4 GG vorgesehen und gilt als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Die Fürsorgepflicht bietet Beamt:innen einen Ausgleich für den Verzicht auf Tarifhoheit und auf das Recht, seine Interessen im Arbeitskampf durchzusetzen.  

Für Bundesbeamt:innen befindet sich die einfachgesetzliche Ausgestaltung in § 78 BBG. § 45 BeamtStG enthält eine gleichlautende Regelung für Landesbeamt:innen, sodass für Beamt:innen des Bundes und der Bundesländer das gleiche gilt: Der Dienstherr hat für das Wohl der Beamt:innen und ihrer Familien zu sorgen und die sie in ihrer amtlichen Tätigkeit und ihrer Stellung zu schützen. Dieser Schutz gilt für alle Beamt:innen ohne Rücksicht auf die Art des Beamtenverhältnisses. Auch die Hinterbliebenen sind von diesem Schutz umfasst. 

Da es sich hierbei um eine sehr allgemein gehaltene Formulierung handelt, ist die Fürsorgepflicht in Bezug auf ihre konkreten Ausprägungen, wie z.B. die Regelungen zu Beihilfen, häufig in speziellen Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften geregelt. Hier sind die Regelungen im Bund und in den Bundesländern ggf. unterschiedlich ausgestaltet. Teilweise können sich Pflichten aber auch direkt aus § 78 BBG oder § 45 BeamtStG ergeben, welche insbesondere durch die Rechtsprechung konkretisiert wurden.

Die Fürsorgepflicht kann grundsätzlich auch eine Anspruchsgrundlage für Leistungen sein, die aber nicht über das hinausgehen darf, was Beamt:innen durch spezialgesetzliche Regelungen abschließend eingeräumt wird. Allerdings bietet die Fürsorgepflicht keine Anspruchsgrundlage für einen Ersatz von Vermögensnachteilen, die durch rechtswidrige Maßnahmen des Dienstherrn veranlasst wurden.

 

Rechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Fürsorgepflicht

Was können Beamt:innen tun, wenn der Dienstherr seine Fürsorgepflicht verletzt? Dies lässt sich nicht pauschal beantworten, da immer der Einzelfall betrachtet werden muss. Zunächst kann aber die konkrete Pflicht, die vom Dienstherrn nicht erfüllt wurde, vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt werden.

Beispielsweise kann die Gewährung eines Ausgleichs für übermäßige Beanspruchung außerhalb der Arbeitszeiten verlangt werden. Bei Mobbingfällen kann neben dem Einschreiten des Dienstherrn auch der Versuch unternommen werden, bei verfügbaren Kapazitäten eine Versetzung zu erwirken, wenn der zuvor erläuterte Mobbingbegriff gegeben ist. 

Daneben kann bei Verletzung der Fürsorgepflicht auch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands verlangt werden. Ein praktisches Beispiel hierfür ist der Widerruf einer Aussage durch den Dienstherrn, die einen Beamten bzw. eine Beamtin missbilligt.

Kann die Pflicht, die der Dienstherr verletzt hat, nachträglich nicht mehr erfüllt werden, kommt ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht, der ebenfalls gerichtlich eingeklagt werden kann. Denkbar ist z.B. ein Anspruch auf Sachschadensersatz, wenn der Dienstherr unter Verletzung seiner Fürsorgepflicht Privatgegenstände von Beamt:innen beschädigt.

Im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs kann unter Umständen auch Schmerzensgeld verlangt werden.

 

Treuepflichten des Beamten

Der Dienstherr hat im Rahmen des Beamtenverhältnisses die Fürsorgepflicht zu beachten – im Gegenzug haben die Beamt:innen eine Treuepflicht einzuhalten. Diese geht weit über das Maß des Arbeitsrechts hinaus. Mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis bringen Beamt:innen gesamte Persönlichkeit mit in das Rechtsverhältnis ein. Ebenso wie die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gehören die Treuepflichten zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Sie finden ihren begrifflichen Niederschlag in der Verfassung (Art. 33 Abs. 4 GG) sowie in den einfachgesetzlichen Regelungen des Beamtenrechts (§ 3 BeamtStG bei Landesbeamt:innen und § 4 BBG bei Bundesbeamt:innen). Die einzelnen Pflichten der Beamt:innen ergeben sich aus den einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen. Für Bundesbeamt:innen sind diese in den §§ 60 ff. BBG geregelt, während die Pflichten der Landesbeamt:innen in den §§ 33 ff. BeamtStG aufgeführt sind. Konkrete Beispiele für diese Pflichten sind folgende:

  • Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie aktive Verteidigung gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen
  • Mäßigungsgebot: Pflicht „diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben“
  • voller persönlicher Einsatz im Beruf
  • Verschwiegenheitspflicht
  • Streikverbot
  • Pflicht zur Fort- und Weiterbildung
 

Es handelt sich bei der beamtenrechtlichen Treuepflicht also um ein Bündel an Pflichten, die Beamt:innen innerhalb und außerhalb des Dienstes zu erfüllen haben.

 

Fazit

Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht umfasst viele unterschiedliche Lebensbereiche und Situationen, denen Beamt:innen in ihrem Dienstalltag begegnen können. Kommt der Dienstherr diesen Pflichten nicht oder nicht ausreichend nach, kann dies eine enorme Belastung für Betroffene darstellen. Umso wichtiger ist es für sie, ihre Rechte zu kennen und ggf. rechtliche Schritte einzuleiten. Sollten Sie Fragen hierzu haben oder Unterstützung in diesem Bereich benötigen, können Sie sich diesbezüglich gerne an unsere Kanzlei wenden!

Bild: Scott Graham / unsplash