Warum die aktuellen Entlastungspakete für Grundsicherungsberechtigte Auswirkungen auf die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung haben – und sich ein Widerspruch für viele Beamte lohnt

Zahlreiche Entlastungspakete wurden von der Bundesregierung in der nahen Vergangenheit zur Bewältigung aktueller Herausforderungen auf den Weg gebracht: Zu nennen sind an dieser Stelle z.B. der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung und ein Heizkostenzuschuss im Herbst 2022 für Wohngeldempfänger:innen aufgrund steigender Energiepreise. Darüber hinaus wurde Anfang 2022 der Hartz-IV-Regelsatz erhöht, weitere Erhöhungen sind für die nahe Zukunft geplant.

 

Doch was hat das mit der Beamtenbesoldung zu tun?

Entsprechend der Intention der Bundesregierung führen diese Maßnahmen zum Anstieg des Grundsicherungsniveaus – eine Entwicklung, die den Gesetzgeber zu einer Erhöhung der Besoldung von Beamtinnen und Beamten verpflichten kann.

 

Hintergrund ist Art. 33 Abs. 5 GG, der als Kernelement eine amtsangemessene Alimentation für Beamt:innen (sog. Alimentationsprinzip) schützt und fordert. Laut ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss das Besoldungsnetto der niedrigsten Besoldungsgruppe mindestens 15% über dem Grundsicherungsniveau liegen um den Verfassungsvorgaben zu entsprechen. Verglichen wird das Nettoeinkommen einer sogenannten Beamtenfamilie (zwei Erwachsene – eine alleinverdienende Person, zwei Kinder) mit dem Einkommen einer vierköpfigen Familie mit Sozialleistungen (Grundsicherung, Wohngeld, Geld für soziale Teilhabe etc.). Bei einer Unterschreitung der sogenannten Angemessenheitsschwelle liegt eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation vor, die rechtlich angreifbar ist.

 

Und was bedeutet das für Beamt:innen konkret?

Steigt das Grundsicherungsniveau also z.B. aufgrund der beschlossenen Entlastungspakete an,  ohne dass spiegelbildlich die Höhe der Besoldung steigt, kann unmittelbar eine Unteralimentation für untere Besoldungsgruppen entstehen, die mit Art. 33 Abs. 5 GG nicht zu vereinbaren ist.

 

Besoldung in Niedersachen – so sieht es das Bundesverwaltungsgericht

Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 2018 festgestellt, dass die Besoldung in Niedersachsen in den Besoldungsgruppen A8 und A11 nicht den Verfassungsanforderungen entspricht und hat den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die niedersächsische Landesregierung reagierte darauf im Juli 2022 mit einem Gesetzesentwurf zur amtsangemessenen Alimentation, der Maßnahmen zur Einhaltung der von der Verfassung geforderten amtsangemessenen Alimentationshöhe ab 1. Januar 2023 vorsieht.

 

Entlastungspakte können zur Verringerung des Abstandes der Besoldung zum Grundsicherungsniveau führen

Unabhängig vom Ausgang dieses Gesetzgebungsverfahrens steht jedoch fest, dass die Besoldung in vielen Fällen jedenfalls gegenwärtig nicht den von der Verfassung vorgesehenen Abstand von 15% zum Grundsicherungsniveau einhält und damit verfassungswidrig ist. Durch die beschlossenen Entlastungspakete wird der Abstand der Besoldung der Beamt:innen zum Grundsicherungsniveau noch einmal kleiner, so dass sich die Situation verschärft.

 

Unsere Empfehlung an Sie!

Aus diesem Grund empfehlen wir, Widerspruch gegen die Besoldung einzulegen.

 

Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass bei nachträglichen Anpassungen der Besoldung nur diejenigen Nachzahlungen erhalten haben, die rechtzeitig Rechtsmittel gegen die Besoldung eingelegt haben. Der Widerspruch muss bis spätestens 31.12.2022 eingelegt werden. Wenn der Dienstherr nicht ausdrücklich erklärt, dass die Widersprüche für folgende Jahre anerkannt werden, ist eine jährliche Wiederholung notwendig. Es sollten nicht nur Beamt:innen in niedrigen Besoldungsgruppen Widerspruch einlegen. Ein weiterer von Art. 33 Abs. 5 GG geschützter Grundsatz ist das Abstandsgebot – zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen muss ein ausreichender Abstand bestehen. Werden die unteren Besoldungsgruppen angehoben, um den Abstand zum Grundsicherungsniveau einzuhalten, müssen alle Besoldungsgruppen angehoben werden.