Wie lange können Beamt:innen Rechtsmittel gegen Beurteilungen einlegen?

Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 22.05.2024 – 5 ME 23/24) hat sich in einem von uns vertretenen Verfahren mit der Frage auseinandergesetzt, wann das Recht, Einwände gegen eine Beurteilung zu erheben, verwirkt sein kann.

Hintergrund war ein Konkurrentenstreitverfahren, in dem wir für unseren Mandanten u.a. geltend gemacht haben, dass seine Beurteilung rechtswidrig ist, weil sie auf einem falschen Maßstab beruht. Die Beurteilung wurde im März 2022 eröffnet, der Einwand erstmalig im November 2023 erhoben. Die Gegenseite wandte ein, unser Mandant habe das Recht, die Rechtmäßigkeit seiner Beurteilung zu rügen, verwirkt.

 

 

Wann kann ein Anspruch auf Rechtsmittel gegen Beurteilungen verwirkt sein?

Gesetzlicher Anknüpfungspunkt der Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben.
Ein Anspruch oder ein Recht kann verwirkt sein, wenn

  1. seit der Möglichkeit der Geltendmachung viel Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment),
  2. der / die Betroffene untätig bleibt, obwohl zu erwarten gewesen wäre, dass er / sie zur Wahrung eines Rechts tätig wird (sog. Umstandsmoment).

 

In diesem Fall kann die Gegenseite darauf vertrauen, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht wird (sog. Vertrauensmoment).

Fehlt das Umstands- bzw. Vertrauensmoment, tritt die Verwirkung selbst dann nicht ein, wenn das Recht seit langer Zeit nicht geltend gemacht wurde.

In Bezug auf dienstliche Beurteilungen geht die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass Verwirkung eintreten kann, wenn Beamt:innen mehr als ein Jahr nach Eröffnung der Beurteilung kein Rechtsmittel eingelegt oder anderweitig zu verstehen gegeben haben, nicht einverstanden zu sein.

 

 

Urteil: Wissen über die Rechtswidrigkeit einer Beurteilung ausschlaggebend für eine Verwirkung

In der aktuellen Entscheidung hat das OVG aber klargestellt, dass dies nur gelten kann, wenn Beamt:innen Kenntnis davon hatten, dass die Beurteilung rechtswidrig sein könnte. Von Beamt:innen kann nicht verlangt werden, dass sie erkennen, dass die Beurteilungsrichtlinien, auf denen die Beurteilung beruht, fehlerhaft ist. Hierfür sind vertiefte Kenntnisse des Beamtenrechts und der Rechtsprechung erforderlich, über die Beamt:innen nicht verfügen müssen. Wird die Rechtswidrigkeit der Beurteilung erst nach fachanwaltlicher Beratung erkannt, kann der Dienstherr nicht darauf vertrauen, dass daraus keine Rechte mehr hergeleitet werden. Das gilt insbesondere dann, wenn Beamt:innen aufgrund der Beurteilung in einem Stellenbesetzungsverfahren nicht ausgewählt wurden.

Haben Sie eine Beurteilung erhalten und sind sich nicht sicher, ob diese rechtmäßig ist oder ob sie noch gegen die Beurteilung vorgehen können? Melden Sie sich, wir beraten Sie gerne.