Insolvenz und Arbeitsrecht: Was Arbeitnehmer:innen wissen müssen

Das deutsche Insolvenzrecht unterscheidet zwischen Regelinsolvenzverfahren, Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung. Wichtig ist die Differenzierung zwischen vorläufigem und eröffnetem Insolvenzverfahren. Arbeitsrechtliche Besonderheiten greifen erst bei einem eröffneten Verfahren.

Auswirkungen auf Arbeitnehmer:innen

Arbeitnehmer:innen sind zunächst „Teil der Gläubiger:innen“. Der Arbeitgeber schuldet ihnen regelmäßig Lohnzahlungen, aber in der Insolvenz fehlt dieses Geld.

1. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses

Das Arbeitsverhältnis bleibt nach Insolvenzeröffnung bestehen, wobei der / die Insolvenzverwalter:in an die Stelle des Arbeitgebers tritt. Sonderregelungen der Insolvenzordnung können zu kürzeren Kündigungsfristen führen oder Betriebsvereinbarungen außer Kraft setzen.

2. Gehaltsanspruch während der Insolvenz

Ob Arbeitnehmer:innen ihr Gehalt erhalten, hängt davon ab, ob die Ansprüche als Insolvenzforderungen oder Masseforderungen eingestuft werden. Masseforderungen müssen aus der Insolvenzmasse vorab befriedigt werden und sind einklagbar. Insolvenzforderungen, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden, werden meist nur zu geringen Teilen ausgezahlt. Bei erheblichen Zahlungsrückständen (mind. 2 Monatsgehälter oder mehr) des Arbeitgebers können Arbeitnehmer:innen ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung ausüben und dennoch ihre vertragsgemäße Vergütung verlangen. Die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht ist allerdings ausgeschlossen, wenn die ausstehende Vergütung verhältnismäßig geringfügig ist, nur eine kurzfristige Verzögerung der Zahlung zu erwarten ist oder dem Arbeitgeber durch die Arbeitsverweigerung ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen würde.

Insolvenzgeld

Die Agentur für Arbeit zahlt Insolvenzgeld für bis zu drei Monate, wenn Arbeitnehmer:innen ihr Gehalt vor Insolvenzeröffnung nicht erhalten haben. Es entspricht dem Nettoeinkommen und deckt Sozialversicherungs- und Krankenkassenbeiträge. Der Antrag muss innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis gestellt werden.

Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld

Zahlt der Arbeitgeber weiter nicht, haben Arbeitnehmer:innen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Ein Insolvenzantrag schließt die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht aus, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Beide Hilfen können parallel in Anspruch genommen werden.

3. Kündigung während der Insolvenz

Der / Die Insolvenzverwalter:in kann das Arbeitsverhältnis mit einer maximalen Kündigungsfrist von drei Monaten beenden. Schadensersatz bei unrechtmäßiger Kündigung ist jedoch nur eine Insolvenzforderung und steht ausschließlich dem / der Arbeitnehmer:in gegen den / die Insolvenzverwalter:in zu. Der Schadensersatzanspruch erfasst den sog. Verfrühungsschaden, also den Verdienstausfallschaden, den der / die Arbeitnehmer:in durch die vorzeitige Kündigung erleidet. Nicht erfasst sind Fälle der Eigenkündigung, des Aufhebungsvertrages oder der Abschluss eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess.

4. Abfindungen während der Insolvenz

Ein Anspruch auf Abfindung besteht, etwa bei betriebsbedingter Kündigung oder Aufhebungsverträgen, ist jedoch von den finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens abhängig. Wenn der / die Insolvenzverwalter:in die Kündigung ausgesprochen oder den zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Aufhebungsvertrag vereinbart hat, stellt die Abfindung eine Masseforderung dar. Liegt allerdings eine Abfindung vor, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart wurde, handelt es sich um eine Insolvenzforderung.

Fazit

Das Insolvenzrecht betrifft viele Facetten des Arbeitsrechts. Es lassen sich schwer allgemeine Verhaltensempfehlungen aussprechen – es kommt immer auf den Einzelfall an.

Falls Sie Fragen zu diesem Thema haben oder von einer Insolvenz betroffen sind, beraten wir Sie gern persönlich.