Verstößt ein / eine Arbeitnehmer:in geben arbeitsvertragliche Pflichten, kann dies zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann diese Kündigung sogar außerordentlich, d.h. fristlos erfolgen, ansonsten unter Einhaltung der Kündigungsfrist, d.h., ordentlich. Durch die verhaltensbedingte Kündigung soll der / die Arbeitgeber:in die Möglichkeit erhalten, sich wegen eines vertragswidrigen Verhaltens, von einem / einer Beschäftigten zu trennen. Anders als bei einer personenbedingten Kündigung, die z.B. wegen Krankheit erfolgt, muss für eine verhaltensbedingte Kündigung eine schuldhafte, heißt vorsätzliche oder fahrlässige, Pflichtverletzung vorliegen.
In Kleinbetrieben, in denen regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer:innen beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG), findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Gleiches gilt, wenn das Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KschG). In diesen Fällen kann der / die Arbeitgeber:in ohne Angaben von Gründen kündigen, also auch aus verhaltensbedingten Gründen, ohne dass es vorher einer Abmahnung bedarf. Eine Ausnahme gilt, wenn die Kündigung treuwidrig ist oder gegen die guten Sitten verstößt.
Ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist wirksam, wenn
- der / die Arbeitnehmer:in in konkreter, vorwerfbarer Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat und dadurch das Arbeitsverhältnis belastet ist.
- keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz besteht
- es kein milderes Mittel gibt, um auf die Pflichtverletzung zu reagieren – z.B. eine Abmahnung und
- eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen des / der Arbeitgeber:in an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des / der Arbeitnehmer:in am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen
Die Abmahnung
In der Regel erfordert eine verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige Abmahnung, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine mildere Reaktionsmöglichkeit als eine Kündigung darstellt. Eine Abmahnung kann aber dann entbehrlich sein, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte nicht mit einer Verhaltensänderung des / der Arbeitnehmer:in zu rechnen ist (BAG 15.12.2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703). Diese objektiven Anhaltspunkte können gegeben sein, wenn
- der / die Arbeitnehmer:in ankündigt, die Pflichtverletzungen fortzusetzen (BAG 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, NZA-RR 2007, 571.),
- eine Vertragsverletzung hartnäckig und uneinsichtig begangen wurde und nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass die Arbeitstätigkeit wie geschuldet erbracht wird (BAG 27.4.2006 – 2 AZR 386/05, NZA 2006, 977; BAG),
- der / die Arbeitnehmer:in aufgrund von Hinweisen Kenntnis von seinem /ihrem vertragswidrigen Verhalten hatte oder hat (LAG Nürnberg 9.1.12007 – 7 Sa 79/06, NZA-RR 2007, 357) oder
- schwerwiegende Pflichtverletzungen vorliegen, die für den / die Arbeitgeber:in unverkennbar rechtswidrig und in keinem Fall hinnehmbar sind (BAG 15.12.2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703)
Arbeitnehmer:innen sollten erhaltene Abmahnungen genau prüfen, da sie bei späteren verhaltensbedingten Kündigungen als Beleg dafür dienen können, dass es sich nicht um die erste Pflichtverletzung handelt und dass der / die Beschäftigte gewarnt wurde. Ungültige Abmahnungen führen in der Regel zur Unwirksamkeit darauf aufbauender Kündigung. Typische Fehler in Abmahnungen sind zu geringe Pflichtverletzungen, ungenaue, unkonkrete Benennung des missbilligten Verhaltens und Formfehler, wie die fehlende Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall.
Frist
Bei einer ordentlichen Kündigung, gelten die Kündigungsfristen, die sich aus dem Gesetz, aus Tarifvertrag oder aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Nach § 622 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Dabei verlängert sich die Kündigungsfrist bei einer Kündigung von Seiten des / der Arbeitger:in in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer gem. § 622 Abs. 2 BGB.
Bei sehr schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann eine fristlose Kündigung erfolgen, die Voraussetzungen sind in § 626 BGB geregelt.
Beispiele aus der Rechtsprechung
Arbeitsgerichte haben verschiedene Gründe für verhaltensbedingte Kündigungen bestätigt, darunter:
- ordentliche Kündigung wegen ständigem Zuspätkommens einer Lehrerin (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Dezember 2017 – 7 Sa 321/17 –, juris),
- außerordentliche Kündigung wegen Diebstahls ohne vorherige Abmahnung (Thüringer LAG, Urteil vom 19. April 2023 – 4 Sa 287/21 –, juris),
- ordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. April 2023 – 5 Sa 197/22 –, juris),
- ordentliche Kündigung wegen mehrfacher persönlicher Angriffe und verletzender Beleidigungen gegenüber anderen Mitarbeiter:innen (Thüringer LAG, Urteil vom 5. Dezember 2023 – 5 Sa 39/23 –, juris)
Zusammenfassung: Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung
Damit eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Pflichtverletzung: Das Verhalten des Arbeitnehmers muss eine schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen.
- Abmahnung: In den meisten Fällen ist eine vorherige Abmahnung erforderlich, um dem / der Arbeitnehmer:in die Gelegenheit zur Besserung zu geben.
- Wiederholungstäter:in: Bei wiederholten Verstößen oder fortgesetztem Fehlverhalten kann eine Kündigung eher gerechtfertigt sein.
- Verhältnismäßigkeit: Die Kündigung muss das mildeste Mittel sein und in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens stehen.
- Anhörung des Betriebsrats: Falls ein Betriebsrat oder Personalrat besteht, ist dieser vor jeder Kündigung zu beteiligen
Der Sonderkündigungsschutz
Für bestimmte Gruppen gilt ein Sonderkündigungsschutz z.B. für
- Schwangerschaft / Mutterschutz: Für die Entlassung von Schwangeren und Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz ist die Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde erforderlich.
- Elternzeit: Ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit beantragt wurde und während der Elternzeit, darf der / die Arbeitgeber:in das Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht kündigen (§ 18 BEEG). Ist eine Kündigung dennoch beabsichtigt, ist die Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde erforderlich.
- Schwerbehinderte: Bei Schwerbehinderten und gleichgestellten Personen muss das Integrationsamt gem. § 168 SGB IX der Kündigung vorher zustimmen.
- Die Mitglieder von Betriebsräten bzw. Personalräten und Jugend- und Auszubildendenvertretungen genießen ebenfalls besonderen Kündigungsschutz.
- Für Beschäftigte im Anwendungsbereich eines Tarifvertrags (TV-L, TVöD) kann unter Umständen die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sein, z.B. § 34 Abs. 2 TV-L.
Haben Sie eine verhaltensbedingte Kündigung oder eine Abmahnung erhalten und benötigen eine Beratung bzw. Vertretung vor dem Arbeitsgericht, helfen wir Ihnen gerne. Bitte beachten Sie, dass die Frist für eine Kündigungsschutzklage nur drei Wochen ab Zugang der Kündigung beträgt. Zögern Sie daher nicht und vereinbaren schnell einen Termin.