Die unendliche Geschichte der Winterreifen

Jedes Jahr auf´s Neue – und jetzt vielleicht aktueller denn je. Es soll ja noch einmal – auch in flacheren Regionen wie Niedersachsen – noch einmal richtig Winter werden.

1. Es gibt keine uneingeschränkte Winterreifenpflicht

Es gibt tatsächlich keine gesetzliche Grundlage, die eine uneingeschränkte Winterreifenpflicht fordert. Wenn wir in die Straßenverkehrsordnung schauen, entdecken wir aber gleich am Anfang § 2 Abs. 3a StVO. In diesem ist aufgeführt, dass der Führer eines Kraftfahrzeuges dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nur fahren darf, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung auch den Anforderungen des § 36 Abs. 4 StVZO (Straßenverkehrszulassungs-Ordnung) genügen.

In § 36 Abs. 4 StVZO wird weiter näher erklärt, wie denn Reifen für winterliche Wetterverhältnisse tatsächlich beschaffen sein müssen. In diesem Zusammenhang wurde in entschieden, dass nur noch Reifen, die mit dem sog. Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) nach der Regelung Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen und/oder des Rollwiderstandes (ABl. L 218 vom 12.8.2016, S. 1) gekennzeichnet, als wintertauglich angesehen werden. Das bedeutet, dass die alte Bezeichnung „M+S“ eigentlich nicht mehr ausreicht, sondern nur die Reifen als wintertauglich anzusehen sind, auf denen das Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) abgedruckt ist.

2. Wenn ich eine Schneefigur bauen kann, ist es vielleicht zu spät

In dem oben aufgeführten § 2 Abs. 3a StVO ist relativ eindeutig formuliert, dass bei GlatteisSchneeglätteSchneematsch, Eis- oder Reifglätte nur gefahren werden darf, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung auch den Anforderungen des § 36 Abs. 4 StVZO genügen. Also bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte reichen die Sommerreifen nicht mehr aus.

3. Ganzjahresreifen?

Der Begriff „Winterreifen“ taucht in den entscheidenden Paragraphen nicht auf. § 2 Abs. 3a StVO und § 36 Abs. 4 StVZO besagen lediglich, dass bei entsprechenden Witterungsverhältnissen nur mit Reifen gefahren werden darf, die das sog. Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) oder die Bezeichnung M+S aufweisen. Unter diese Anforderungen können somit natürlich neben den klassischen Winterreifen auch Allwetter- bzw. Ganzjahresreifen fallen, sofern diese die erforderliche Kennzeichnung tragen.

4. Keine Winterreifen für alle Kraftfahrzeuge!

Folgende Kraftfahrzeug brauchen keine Winterreifen

  1. Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft,
  2. einspurige Kraftfahrzeuge,
  3. Stapler im Sinne des § 2 Nummer 18 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung,
  4. motorisierte Krankenfahrstühle im Sinne des § 2 Nummer 13 der Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung,
  5. Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen, soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine Reifen verfügbar sind, die den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen und
  6. Spezialfahrzeuge, für die bauartbedingt keine Reifen der Kategorien C1, C2 oder C3 verfügbar sind.

Somit fallen sowohl Motorräder raus; ist ja auch nachvollziehbar, denn der Großteil der Motorradfahrer fährt dann doch lieber bei besseren Witterungsverhältnisse. Anhänger fallen im Übrigen auch raus, da diese nicht unter den Begriff „Kraftfahrzeug“ fallen.

Für Profis: Die StVO sieht vor, dass Busse und LKW (Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 bei winterlichen Wetterbedingungen gefahren werden dürfen,

  • wenn mindestens die Räder der permanent angetriebenen Achsen
  • und der vorderen Lenkachsen mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen.

5. Was ist mit der Versicherung?

Wird mit Sommerreifen gefahren, obwohl die Witterungsverhältnisse es eigentlich nicht zugelassen haben, kann durchaus der Versicherungsschutz gefährdet werden.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung wird den Schaden selbstverständlich beim Unfallgegner regulieren. Aufgrund des Umstandes, dass im Winter die falschen Reifen verwendet wurden, kann aber eine sog. Gefahrerhöhung angenommen werden. Dies hat zur Folge haben, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung dem Versicherungsnehmer eine begrenzte Leistungsfreiheit entgegen halten kann; gem. § 5 Abs. 3 KfzPflVV (Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung) ist die Leistungsfreiheit auf einen Betrag von höchstens 5.000 € beschränkt. Das bedeutet also, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung beim Versicherungsnehmer Regress bis zu einem Betrag von 5.000 € nehmen kann.

Im Rahmen eines Kaskoschadens kann es ebenfalls zu erheblichen Kürzungen seitens des Versicherers kommen. Ereignet sich ein Verkehrsunfall aufgrund der falschen Reifenwahl, so besteht die Möglichkeit, dass die Versicherung dies als grobfahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls bewertet und somit die Leistung gem. § 81 Abs. 2 VVG in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis kürzen kann.

 

Wenn noch Fragen offen bleiben oder es tatsächlich zu Schwierigkeiten gekommen ist, dann zögern Sie nicht. Nehmen Sie dafür einfach Kontakt mit uns auf.