Wer auf Instagram oder TikTok unterwegs ist und durch die „For You“-Seite scrollt, stößt früher oder später auf einen scheinbaren Trend: Arbeitszeitbetrug und Krankfeiern werden dort als clevere Tricks dargestellt und gefeiert.
Was auf den ersten Blick wie harmlose Tipps zur Verlängerung des Wochenendes wirkt, ist in der Realität ein ernsthaftes Fehlverhalten. Solches Verhalten ist kein Spaß und schon gar kein Kavaliersdelikt – es kann zu einer fristlosen Kündigung führen und in bestimmten Fällen sogar strafbar sein. Die unterschwellig vermittelte Botschaft „Das machen doch alle“ verharmlost ein Verhalten, das klare Konsequenzen im Arbeitsleben haben kann.
Im Arbeitsverhältnis haben beide Seiten – Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in – bestimmte Pflichten. Die wichtigste Regel dabei ist: Die oder der Arbeitnehmer:in erbringt eine Arbeitsleistung und der oder die Arbeitgebende zahlt dafür das Entgelt. Beide Seiten sind also aufeinander angewiesen.
Wenn das Entgelt ausbleibt oder zu niedrig ist, können Arbeitnehmende das Geld einfordern – notfalls auch vor Gericht. In schweren Fällen dürfen sie das Arbeitsverhältnis sogar fristlos kündigen.
Umgekehrt gilt aber eben auch: Wenn Arbeitnehmende ihre Arbeitspflicht nicht erfüllen – zum Beispiel absichtlich weniger arbeiten als vereinbart oder mit nur vorgetäuschter Krankheit gar nicht erscheinen – ist das ein schwerer Vertrauensbruch. Auch dann kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, weil das Arbeitsverhältnis dadurch unzumutbar wird.
Welche Formen von Arbeitszeitbetrug treten am häufigsten auf?
1. Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit – besonders im Homeoffice
Ein echter „Klassiker“ unter den Grenzüberschreitungen: Arbeitnehmende sind offiziell im Homeoffice, erledigen aber nebenbei private Dinge – kochen, machen Sport, räumen auf, spielen Videospiele oder erledigen den Einkauf; das alles ohne die Zeiten als Pause zu dokumentieren oder sie nachzuholen. Auch wenn es bequem erscheint: Während der bezahlten Arbeitszeit sind solche privaten Tätigkeiten nicht erlaubt – egal, wo gearbeitet wird.
2. Arbeitszeit wird falsch dokumentiert
„Am Montag 20 Minuten länger eintragen und die Pause am Donnerstag in der Zeiterfassung einfach weglassen – das gleicht sich irgendwie schon wieder aus.“ So oder ähnlich denken viele. Doch genau hier beginnt das Problem: Arbeitszeiten werden absichtlich falsch angegeben, Pausen werden nicht eingetragen oder Zeiterfassungssysteme werden sogar manipuliert.
Solche bewussten Verstöße gelten arbeitsrechtlich als schwerwiegend. Je schwerwiegender der Fall, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bereits ein einzelner Vorfall ausreicht, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen – eventuell sogar ganz ohne vorherige Abmahnung.
3.Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit
Wer krank ist, hat laut Gesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung – das schützt Beschäftigte vor finanziellen Einbußen bei Krankheit. Das gilt aber nur, wenn wirklich eine Krankheit vorliegt.
Wird eine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht, entsteht der oder dem Arbeitgebenden ein Schaden: Es wird weiter das volle Entgelt gezahlt, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird. In diesem Fall wird das Vertrauen in die oder den Beschäftigten massiv verletzt – auch hier kann eine fristlose Kündigung die Folge sein.
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Arbeitszeitbetrug - Folgen und Konsequenzen
1. Abmahnung
Bei weniger schweren Verstößen kann die oder der Arbeitgebende eine Abmahnung aussprechen. Damit wird klargestellt: Das Verhalten wird nicht akzeptiert – und bei Wiederholung kann eine Kündigung folgen.
Eine Abmahnung ist in der Regel Voraussetzung für eine sogenannte verhaltensbedingte Kündigung, damit die betroffene Person die Chance hat, ihr Verhalten zu ändern.
2. Kündigung
Arbeitszeitbetrug oder das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit können so schwerwiegend sein, dass sie eine Kündigung rechtfertigen – in besonders schweren Fällen auch fristlos (§ 626 Abs. 1 BGB).
Eine fristlose Kündigung bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis sofort endet – ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfrist. Das ist nur erlaubt, wenn:
- ein schwerer Pflichtverstoß vorliegt,
- eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist,
- die oder der Arbeitgebende den Verstoß nachweisen kann,
- und die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Vorfalls ausgesprochen wird.
Verdachtskündigung: In besonderen Fällen kann auch eine Kündigung erfolgen, wenn ein dringender Verdacht besteht – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen und nach vorheriger Anhörung der oder des Mitarbeitenden.
Abmahnung notwendig?
Normalerweise muss vor einer Kündigung abgemahnt werden. Eine Ausnahme gilt aber, wenn:
- der Verstoß so schwerwiegend ist, dass klar ist, dass er nicht toleriert werden kann,
- oder wenn die Person bereits gezeigt hat, dass sie sich nicht an Regeln halten will.
3. Sperre für das Arbeitslosengeld
Wird das Arbeitsverhältnis wegen eines Pflichtverstoßes durch die oder den Arbeitgebenden beendet, kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängen – in der Regel bis zu zwölf Wochen.
In dieser Zeit gibt es kein Arbeitslosengeld und die Zeit wird auch nicht später ausgeglichen.
4. Strafrechtliche Konsequenz
Arbeitszeitbetrug ist nicht nur ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten – er kann auch strafbar sein.
Laut § 263 Strafgesetzbuch handelt es sich um Betrug, der mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann.
5. Schadensersatz
Wer der oder dem Arbeitgebenden durch vorsätzliches Fehlverhalten einen Schaden zufügt, kann zum Schadensersatz verpflichtet werden.
Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn:
- Entgelt für nicht geleistete Arbeitszeit gezahlt wurde,
- oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erschlichen wurde.
In solchen Fällen muss das zu Unrecht gezahlte Geld zurückgezahlt werden.
6. Fun Fact zum Schluss – Arbeitszeitbetrug aufgedeckt: Ex-Arbeitnehmer muss Detektivkosten zahlen
Ein Arbeitgeber lies im Jahr 2024 einen Arbeitnehmer per Detektei überwachen – wegen des Verdachts, während der Arbeitszeit lieber privaten Beschäftigungen nachzugehen. Und siehe da: Die Spürnasen wurden fündig.
Das Arbeitsgericht Köln und das LAG Köln gaben dem Arbeitgeber in allen Belangen recht: Die Überwachung war zulässig – und der betroffene Mitarbeiter war nicht nur seinen Job los, sondern musste auch noch die Detektivkosten in Höhe von 20.000 Euro aus eigener Tasche zahlen.
Merke: Wer in der Arbeitszeit lieber Privatkram macht, sollte sich zumindest fragen, ob er auch das Budget für eine professionelle Überwachung hat.
Besonderheiten im Beamtenverhältnis
Für Beamt:innen hat Arbeitszeitbetrug besonders ernste Folgen. Der Grund: Beamt:innen stehen in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Deshalb gelten für sie strengere Regeln. Im Gegensatz zu Angestellten gelten für Beamt:innen nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch disziplinarrechtliche Vorschriften. Ein nachgewiesener Betrug bei der Arbeitszeit wird als schweres Fehlverhalten gewertet und hat Disziplinarmaßnahmen zur Folge.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Beamter hatte über Jahre hinweg seine „Gehen-Zeiten“ manipuliert, um früher Feierabend zu machen. Die Folge: Er wurde um zwei Ämter zurückgestuft. Dabei hat er sogar Glück gehabt, ein erheblicher Arbeitszeitbetrug kann sogar zu einer Entfernung aus dem Dienst führen. Die oder der Beamt:in verliert dann nicht nur den Job und die Besoldung, sondern auch die Versorgungsansprüche.